Warum die richtige Aufnahme entscheidend ist
Als Augenarzt begegne ich häufig Patienten, die sich Gedanken über ihre Nährstoffversorgung machen, insbesondere wenn es um die Gesundheit ihrer Augen geht. Zink spielt dabei eine besonders wichtige Rolle, doch die Aufnahme dieses essentiellen Spurenelements kann durch bestimmte Nahrungsbestandteile erheblich beeinflusst werden. Eine bahnbrechende Studie von Solomons und Kollegen aus den späten 1970er Jahren zeigt eindrucksvoll, wie dramatisch sich die Zinkaufnahme je nach Begleitstoffen in der Nahrung unterscheiden kann.
Die Forscher untersuchten die Zinkaufnahme nach dem Verzehr von 120 Gramm atlantischen Austern – einer der reichsten natürlichen Zinkquellen überhaupt mit etwa 108 mg Zink pro Portion. Diese Menge entspricht mehr als dem Zehnfachen des täglichen Zinkbedarfs eines Erwachsenen. Die Ergebnisse waren verblüffend und zeigten deutliche Unterschiede je nach Begleitung der zinkreichen Austern.
Wurden die Austern allein verzehrt, stieg der Plasma-Zinkspiegel innerhalb von drei Stunden um beeindruckende 142 µg/dL. Dies demonstriert die exzellente Bioverfügbarkeit von Zink aus tierischen Quellen, insbesondere aus Meeresfrüchten wie Austern.
Die Situation änderte sich jedoch dramatisch, wenn die Austern zusammen mit pflanzlichen Nahrungsmitteln konsumiert wurden. Bei der Kombination mit schwarzen Bohnen sank die Zinkabsorption auf etwa die Hälfte des ursprünglichen Wertes. Noch dramatischer war der Effekt bei gleichzeitigem Verzehr von Mais-Tortillas: Hier war praktisch keine messbare Zinkaufnahme mehr feststellbar.
Der Grund für diese dramatischen Unterschiede liegt in den sogenannten Phytaten – Salzen der Phytinsäure, die natürlicherweise in pflanzlichen Lebensmitteln vorkommen. Phytate dienen Pflanzen als Phosphorspeicher und sind besonders reichlich in Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten und Nüssen enthalten.
Diese Verbindungen haben die Eigenschaft, Mineralstoffe wie Zink im Verdauungstrakt zu binden und unlösliche Komplexe zu bilden. Das gebundene Zink kann dann nicht mehr von unserem Körper aufgenommen werden. Mais-Produkte wie Tortillas enthalten besonders hohe Mengen an Phytaten, was erklärt, warum sie die Zinkaufnahme fast vollständig blockieren können.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung hat diese Erkenntnisse in ihre aktuellen Empfehlungen eingearbeitet und gibt seit 2019 gestaffelte Zinkempfehlungen je nach Phytatzufuhr an. Bei hoher Phytatzufuhr kann die Bioverfügbarkeit von Zink um bis zu 45 Prozent verringert sein.
Für die Augengesundheit ist eine ausreichende Zinkversorgung von enormer Bedeutung. Zink ist an zahlreichen enzymatischen Prozessen in der Netzhaut beteiligt und spielt eine wichtige Rolle beim Vitamin-A-Stoffwechsel, der für das Sehen essentiell ist. Ein Zinkmangel kann sich negativ auf die Nachtsicht auswirken und möglicherweise zur Entwicklung altersbedingter Augenerkrankungen beitragen.
Die Erkenntnisse aus der Austern-Studie haben wichtige praktische Konsequenzen. Wenn Sie Nahrungsergänzungsmittel mit Zink einnehmen oder besonders zinkreiche Lebensmittel verzehren, sollten Sie darauf achten, diese nicht gleichzeitig mit phytatreichen Nahrungsmitteln zu kombinieren.
Es gibt verschiedene Strategien, um die Zinkaufnahme zu optimieren. Tierische Proteine verbessern die Bioverfügbarkeit von Zink, weshalb die Kombination von zinkreichen Fleisch- oder Fischgerichten mit anderen Proteinquellen vorteilhaft ist. Auch organische Säuren wie Zitronensäure aus Zitrusfrüchten können die Aufnahme fördern.
Bei der Zubereitung pflanzlicher Lebensmittel können bestimmte Verfahren den Phytatgehalt reduzieren. Einweichen, Keimung oder Sauerteiggärung aktivieren das Enzym Phytase, welches Phytate abbaut und die Mineralstoffverfügbarkeit verbessert.
Austern bleiben mit 20-22 mg pro 100 g die absolute Spitzenquelle für Zink. Für den täglichen Bedarf sind jedoch auch andere tierische Quellen wie Rindfleisch, Leber oder Käse praktikabler. Bei pflanzlichen Quellen bieten sich Kürbiskerne, Sesam oder Linsen an, wobei hier auf die beschriebenen Aufnahme-Hindernisse zu achten ist.
Die Einnahme von Zink sollte idealerweise auf nüchternen Magen oder mit Abstand zu phytatreichen Mahlzeiten erfolgen, um die optimale Aufnahme zu gewährleisten. Bei Nahrungsergänzungsmitteln ist eine Einnahme zwischen den Mahlzeiten oft am effektivsten.
Die Solomons-Studie verdeutlicht eindrucksvoll, dass nicht nur die Menge eines Nährstoffs in der Nahrung entscheidend ist, sondern auch dessen Bioverfügbarkeit. Für eine optimale Augengesundheit lohnt es sich daher, bei der Zusammenstellung der Mahlzeiten auf günstige Nährstoffkombinationen zu achten.
Solomons et al. (1979), Deutsche Gesellschaft für Ernährung Zinkempfehlungen (2019), Studien zu Phytat-Zink-Interaktionen, Bioverfügbarkeits-Forschung zu Mineralstoffen.